Makerspaces, Handwerk 4.0 und der ländliche Raum

Unter dem Titel „Remote Remade“ trafen sich heute einige Initiativen im Verstehbahnhof um eine der spannendsten und auch vielversprechendsten Fragen im Zusammenhang mit Digitalisierung zu diskutieren: Wie verändert sich die Produktionslandschaft des ländlichen Raums durch offene Werkstätten und verwandte Orte?

Zu dem Treffen hatte der Thinktank Neuland21 eingeladen, und es war für uns, nach mehr als neun Monaten Kampf gegen eine überbürokratisierte Verhinderungsverwaltung, eine besondere Freude, dieses Event im vollen Glanze der Legalität durchführen zu können. Der Einladung sind zahlreiche Initiativen aus dem Verbund Offener Werkstaetten, andere interessante Projekte wie auch Vertreter aus der Wirtschaft gefolgt, und es war ein Abend voll extrem interessantem Gedankenfutter. Was sich definitiv herauskristallisiert, ist das Potenzial von Werkstatt-Initiativen ganz besonders im ländlichen Raum. Das beginnt mit ganz einfachen Standortvorteilen von allem, was nicht in Städten stattfindet. Raum ist nicht nur bezahlbar, sondern auch vorhanden. Oft kämpfen Kommunen, im Gegensatz zu Städten, mit Leerstand, und zwei besonders interessante Initiativen sind aus genau einer solchen Problematik entstanden: Der Hebewerk e.V. in Eberwalde, um die Ecke von uns in der Uckermark, sowie das InnovationsQuartier in Murnau in der Nähe von Garmisch-Partenkirchen. Das Hebewerk versteht sich als inspirierender Gemeinschaftsraum, und die Idee ist so einfach wie effektiv: Der Verein stellt Räumlichkeiten bereit für Initiativen wie Individuen, die sich dort kreativ und/oder technisch betätigen wollen. Räumlichkeiten werden kostenfrei bereitgestellt durch die Stadt Eberswalde, und im Gegenzug dazu werden vormals leerstehende Gebäude nicht nur sinnvoll genutzt, sondern auch belebt und damit vor dem Verfall geschützt. Was mit einer primären Nutzung für Werkstatt und Reparatur begann, hat sich längst entwickelt zu einer sozialen Bewegung, der Ort ist ein Raum für Begegnungen und gegenseitiger Hilfe geworden. Darüber hinaus, und da wird es auch interessant für die lokale Wirtschaft, werden dort Kompetenzen vermittelt, Menschen an Handwerk herangeführt und eine Infrastruktur bereitgestellt, die lokale Produktion ermöglicht.

Aus einem ähnlichen Antrieb heraus wurde das InnovationsQuartier in Murnau gegründet. Angesiedelt in einem alten Krankenhaus, das mehr als zehn Jahre leer stand, bietet auch das IQ eine sehr breit aufgestellte und gut ausgestattete Werkstatt und ergänzt dieses Angebot durch Räume, die Startups nutzen können. Es gibt einige wenige, aber sehr sinnvolle Regeln, und so muss jedes Unternehmen, das sich im IQ ansiedelt, mindestens zwei Schülerpraktikanten pro Jahr aufnehmen. In einer kleinen Stadt wie Murnau mit knapp 12000 Einwohnern ist damit explosionsartig ein ganz anderes Angebot für junge Menschen entstanden. Im IQ finden sich mittlerweile 44 Unternehmer und Firmen, neun Ausgründungen sind entstanden, vom Bau von Synthesizern über ein Filmsynchronisationsstudio bis zu einer Produktion lokaler Souvenirs und Boxershorts. Die Kleinstmarken und regionalen Produkte werden vertrieben in der nächsten Nutzung von städtischem Leerstand, einem Pop-up Laden, und so wird mehr ungenutzter Raum wiederbelebt.

Es sind diese Art von Geschichten, die nicht nur zeigen, dass der ländliche Raum eine Zukunft hat, sondern dass die Zukunft im ländlichen Raum liegt. Es ist der niedrigschwellige Zugang zu Räumen, der den riesigen Unterschied macht. Ob Verstehbahnhof Fürstenberg, Innovationsquartier Murnau oder Hebewerk Eberswalde, alle diese Orte sind authentisch und sie funktionieren, und vor allem brauchen sie nicht den riesigen Overhead, den millionenschwere Reißbrettprojekte mit sich bringen. Sie nutzen das, was da ist, lernen voneinander und vernetzen sich, um etwas Neues entstehen zu lassen, während anderswo noch geplant, diskutiert und investiert werden muss – ohne dass davon irgendjemand etwas hat außer Architekten, Planungsbüros und ein Apparat von Bürokratie. Der Dynamik, die die Digitalisierung mit sich bringt, kann und muss man mit einer ähnlichen Dynamik begegnen. Die Orte, die dabei entstehen, sind nicht nur schneller verfügbar, sie sind auch ökologisch wie ökonomisch sinnvoller und weitaus sympathischer als jeder künstliche erschaffene Ort.

Wir jedenfalls sind noch weiter bestärkt im Glauben daran, dass wir auf dem ganz richtigen Weg sind!

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